Freitag, 25. September 2015

Die Wetzsteinmacher von Unterammergau

In den vergangenen Jahrhunderten reichte den Bauern der Erlös ihrer landwirtschaftlichen Arbeit nicht zum Lebensunterhalt. Sie suchten nach Nebeneinkünften: In Murnau war das die Hinterglasmalerei, in Mittenwald der Geigenbau, in Oberammergau die Holzschnitzerei und in Unterammergau die Wetzsteinmacherei.

Foto: Verena N._pixelio.de
 
Wetzsteine werden zum Schärfen von Sensen und Sicheln gebraucht. Als allerdings zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Technisierung in der Landwirtschaft immer weiter um sich griff, sank der Bedarf an diesen Kleingeräten. Die Handwerkstradition der Wetzsteinmacherei reicht in Unterammergau bis ins 16. Jahrhundert zurück. Bereits damals wurde in den umliegenden Bergen Gestein abgebaut und wahrscheinlich schon in den Schleifmühlen bearbeitet. 

Ein bisschen Statistik: 1809 gab es in Unterammergau 21 Wetzsteinmacher. Diese betrieben im Jahr 1865 etwa 32 Einzel- und 19 Doppelschleifmühlen, die von zwei Handwerkern gemeinsam betrieben wurden. 1817 lag die Produktion bei jährlich 80 000 Wetzsteinen. Durch die Einführung neuer Produktionstechniken stieg diese Zahl bis 1913 auf 277 640 Stück. Schon 1817 war der Vertrieb durch eine Genossenschaft organisiert. Später war das die ,Bayerische Marmor-Wetzsteinmacher-Genossenschaft', die ihren Sitz im so genannten Stoakasten hatte. Der Transport nach Russland, Böhmen, Österreich und Ungarn erfolgte über den Lech, die Loisach, Isar und Donau. Eine Flussreise nach Wien dauerte etwa zehn Tage. Ab 1890 wurde die Eisenbahn benutzt.

Foto: Gitti_pixelio.de
Die Arbeit der Wetzsteinmacher begann im Spätsommer nach der Heuernte. Die Männer zogen in die Steinbrüche hoch über Unterammergau. Dort sprengten sie die geeigneten Platten aus dem Fels. Dazu wurde allerdings kein Dynamit verwendet, reine Handarbeit ist gefragt gewesen. Zum „Sprengen“ wurde eine Eisenstange gebraucht, den „Windling“, und einen Hammer, den Schuss-Schlegel. Nach dem ersten Schlag mit dem Schuss-Schlegel wurde der Windling gedreht. So drang er tiefer in den Stein ein. Das ging solange, bis sich die Platten, die so genannten Schielen, aus dem Fels lösten. Diese Schielen kamen erst einmal in den Kalter, das „Lager“. ur Weiterverarbeitung in den Schleifmühlen wurde Wasserkraft gebraucht. Bevor also die Bäche zufroren, aber meist bei regnerischem Wetter schnitten Bandeisen die Schielen in gleichmäßig vier Zentimeter breite Wetzsteinstreifen. 

Die eigentliche Schleifarbeit begann mit dem Einbruch des Winters. In einer beheizten Hütte entstanden dabei die fertigen Wetzsteine. Die Arbeiter blieben die gesamte kalte Jahreszeit in dieser als Beckhütte bezeichneten Behausung; sie war spartanisch mit Pritschen und Essgeschirr ausgestattet.

Im Frühjahr versammelten sich die Mitglieder der Stoaheigler-Genossenschaft - als "Stoaheigler" bezeichnen sich die Wetzsteinmacher selbst im Unterammergauer Dialekt - um die, aus den Schleifmühlen mitgebrachte Ware abzuzählen, in Holzfässer zu verpacken und mit Pferdefuhrwerken zu den Floßstationen in Oberau und Schongau zu bringen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs brachen für die Wetzsteinmacher 80 Prozent des Umsatzes fort. Der Weg nach Osteuropa war durch den Eisernen Vorhang verstellt. Das Handwerk starb aus.

Quelle: http://www.heimatzeitung.de

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