Dienstag, 13. Oktober 2015

Buchrestauration – der Bibeldoktor aus Nußdorf


Die Restaurierung seltener, bibliophiler Kostbarkeiten, einem traditionsreichen Handwerk, auf das sich die Buchbindermeister Hedwig und Klaus Müller in ihrer Nußdorfer Werkstatt spezialisiert haben,  ist sehr zeitaufwendig. Die Wiederherstellung der historischen Schriften dauert zum Teil über ein Jahr. Oftmals sind Seiten zerfranst bzw. zerrissen, oder der einstige Ledereinband fehlt ebenso wie die Metallecken und Schließen. „Unser schwierigster Fall war bisher ein Buch aus Neustadt, eine Hanisch-Bibel von 1594”, erzählt Hedwig Müller. Das Buch sei wurmzerfressen, der Einband nicht mehr vorhanden gewesen. Doch solche Sorgenkinder zu restaurieren, sei am interessantesten.


„Oft sieht man an den Kerben auf dem Holz, dass der Hausvater auf der Bibel Brot geschnitten hat”, weiß Meister Müller.

Behutsam  werden zuerst die Fäden, mit denen die Papierbögen zusammengeheftet waren, entfernt. Dann wird das Buch in einzelne Lagen zerlegt. Mit einem feinen Pinsel wird jede Seite sorgfältig von jahrhundertealtem Staub befreit.

Um die Seiten wieder lesbar zu machen, kommen diese zuerst in die Papierwaschmaschine. Dort werden jeweils bis zu 100 Seiten auf einem Plastikgitter in einem Becken ausgebreitet, wo die Bögen von reinem, kaltem Leitungswasser stundenlang sanft umspült werden. Dabei das Wasser den Gilb der Jahre - die Blätter sind nach vier bis fünf Stunden wieder bleich und sauber wie am ersten Tag. Stockflecken, Staub und Dreck werden ausgeschwemmt.

Für Seiten, denen ein Stück fehlt, folgt dann die nächste Prozedur: die Anfaserungsarbeit. Die beschädigte Seite wird zuerst auf einen Siebeinsatz in einen Wasserkasten gelegt. Dann wird ein Papierbrei aus Papierrohstoff und Wasser angerührt. Falls nötig, rührt Müller noch, je nach Farbton der Originalseiten, selbst hergestellte Farbe hinzu. Durch einen Schlauch wird der Papierbrei in das Wasserbecken gepumpt. 

Der Faserbrei lagert sich an den fehlenden Ecken an. Auch der Kleister, der durch das Waschen und Anfasern ausgeschwemmt wurde, muss ersetzt werden: Seite für Seite wird eingepinselt mit Weizenkleister, der dem Papier die notwendige Festigkeit verleiht. Die nassen Blätter trocknen zwischen Vlieslagen in einer 100 Jahre alten, gusseisernen Presse, der „Gauche“. So lange, bis die gesamte Feuchtigkeit aus dem Papier gesaugt ist.

„Bis 1850 ist das Bibelpapier aus Baumwolle und Lumpenfasern gemacht worden, danach aus Holz“, berichtet Klaus Müller. „Deshalb brauchen wir für alte Bibeln mit Erscheinungsjahr vor 1850 den Baumwollbrei, um Risse, Fasern und fehlende Papierstellen zu ergänzen“, so Müller. Für jüngere Bibeln dagegen gebe es Papiervliese aus Zellulosefasern, die nur auf die Seiten aufgebügelt würden.

Nach dem sorgfältigen Beschneiden aller Papierblätter werden diese mit Nadel und Faden wieder zusammengeheftet.

Schlussendlich wird das Buch der Bücher gegebenfalls mit einem zeitgenössischem Ledereinband eingebunden und eigens angefertigten Metallecken und Schließen versehen.


Über 400 Bibeln haben Hedwig und Klaus Müller bereits in Ihrer Werkstatt restauriert. Nebenher müssen auch andere Buchbindearbeiten oder Restaurationen von z. B. alten Märchenbüchern, oder Kochbücher durchgeführt werden.

Mehr Informationen zur Buchbinderei Müller unter http://www.mueller-buch.de.

Quelle: http://www.mueller-buch.de mit freundlicher Genehmigung von Klaus Müller

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