Mittwoch, 3. Februar 2016

Kettnerei – Wie macht man eigentlich...

...ein Kettenhemd?

Bild: Folio 3 recto
Sammlung: Die Miniaturen der Maciejowski-Bibel
Kaputzenkettenhemd
Das Projekt Tempora Nostra beschäftigt sich mit der Rekonstruktion hochmittelalterlicher Kleidung und Sachkultur sowie Handarbeits- und Handwerkstechniken um das Jahr 1300.
Philipp Klostermann, Organisator des Projekts, erteilte uns die freundliche Erlaubnis, die Herstellung eines Kettenhemdes mit selbst hergestellten Ring aus Draht nach teils von ihm erfundenen Techniken auf diesem Blog zu teilen.


Herstellung – Teil 1

Material: Eisen, Stahl, Stahl rostfrei, Aluminium
Form des Drahtes: runder Querschnitt, quadratischer Querschnitt 

Die meisten der in der Anleitung verwendeten Fachbegriffe sind erfundene Wörter aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert, und wurden demnach nicht im Mittelalter verwendet. Dennoch haben sich die Begriffe in der Szene bereits weit verbreitet. Das Prinzip ist einfach. Draht wird aufgewickelt, und die Ringe werden abgeschnitten.


Das Aufwickeln von Eisendraht auf eine Stange bezeichnet man als "Wurmen". Hierbei entstehen mehr oder weniger lange Eisenfedern, die als Würmer bezeichnet werden.

Das Wurmen

Hierzu eignet sich ein Holzstab (Wurmholz). Dieses ist etwa 15 bis 20 cm lang und wird mit einem Ende so in einen Schraubstock eingespannt, dass es waagerecht liegt. Dabei sollten nur 1 bis 2 cm vom Wurmholz eingespannt sein. Ein etwa 2 m langes Stück Draht wird abgeschnitten, und am Ende u-förmig abgebogen. Dieses U wird in das dem Schraubstock zugewandten Ende des Wurmholzes eingehakt. Ein Stück vom Draht wird wie eine große Kurbel gebogen, beim Wickeln wird der Draht wie eine Peitsche um sich schlagen. Deshalb sollten keine empfindlichen Gegenstände in der Nähe stehen. Wenn der Draht soweit aufgewickelt ist, daß der Griff der Kurbel erreicht ist, wird der Draht gerade gebogen und eine neue Kurbel wird gebogen. Das ganze wird 3 bis 4 mal wiederholt, bis das Ende des Drahtes erreicht ist. Dann kann Wurmholz aus dem Schraubstock genommen werden, der u-förmige Haken wird aufgebogen, und der Wurm kann vom Wurmholz abgezogen werden. Sie können auch direkt den Wurm vom Wurmholz abziehen. Bei manuellen Wurmen sollte man Lederhandschuhe tragen, um die Folgen des ständigen Reibens des Drahtes an den Fingern erträglich zu halten.

Scheiden

Das Aufschneiden der Würmer nennt man "Scheiden". Hierzu braucht man eine lange Kneifzange (wird auch "Kondor" genannt. - Alle Zangen sind nach Vögeln benannt.). Der Wurm sollte so angesetzt werden, dass der Kondor an der Unterseite greift. Außerdem sollte der Wurm leicht schräg nach oben zum Kondor zeigen. So wird verhindert, daß die Oberseite an den Kondor stößt, bevor die Unterseite die Richtige Position hat. Durch den Anstellwinkel können Sie bestimmen, wie tief der Kondor in den Wurm greift.. 

Achtung: Beim "Scheiden"und bei der Arbeit mit unhandlichen Drahtmassen Schutzbrille tragen!

Das Flechten

Das Flechten erfolgt mit Hilfe von zwei Zangen. Eine stumpfe, kräftige, die "Ente" oder wenn sie beim Heimwerken eingesetzt werden auch "Kombizange" genannt wird, und ein schmale Spitzzange, die "Specht" oder in Heimwerkerkreisen auch "Spitzzange" genannt wird. Die Ente wird in der linken Hand gehalten, der Specht in der Rechten. Während man den Specht mit den restlichen Fingern in die Handinnenfläche klemmt, greift man mit Daumen und Zeigefinder der rechten Hand einen Ring, und legt ihn mit der aufgeschnittenen Seite zum Körper gewandt in die Ente der linken Hand. Die rechte Seite des Rings greift man nun mit dem Specht, und biegt damit den Ring etwa 1/4 Drehung auf. Die Ente wird nun gelockert, und der Ring wird in den Specht übernommen, um sofort eingefädelt zu werden. Das eingefädelte Ende nimmt man nun wieder mit der Ente, um den Ring zuzubiegen.

Flechtmuster

Zuerst muss ein Anfang geschaffen werden, Philipp Klostermann startet bei seiner Art der Herstellung mit einem sogenannten Quintett, einer Kette aus fünf Gliedern:

An dieser Kette werden dann die 2 Ringe der nächsten Kette befestigt, die mit dieser Kette verbunden sind. Man hat nun eine Kette, 5 Glieder lang, aber bestehend aus 7 Gliedern = Septett.

In die 2 zusätzlichen Ringe eines Septetts hängt man 3 weitere, um die 2. Kette zu vervollständigen. Es werden Ring 3 und 6 mit einem 8. Ring verbunden, und in Ring 3 und Ring 6 wird je ein einzelner Ring eingefügt. So fährt man weiter fort: weiter zwei Ringe, der 2. und 4. Ringe der 3. Kette...



...bis eine Breite erreicht ist, mit der man arbeiten kann:


Querschnittserweiterung / -verengung

Wird durch Anwendung des Standardmusters in Längsrichtung ein Schlauch erstellt, so kann dieser erweitert werden, indem pro Reihe 1-6 Ringe eingefügt werden. Das geschieht, indem ein Ring (A) zwischen zwei andere (D und E) in einen einzelnen Ring (C) eingehängt wird. Dieser Ring heißt Trötring, da sich der Schlauch hierdurch wie eine Trompete (Tröte) erweitert. Folgen mehrere Trötringe in Längsrichtung hintereinander, so spricht man von einer Trötnaht. Sie fügt sich harmonisch in das Grundmuster ein. Werden in einer geschlossenen Reihe 6 Ringe mit gleichem Abstand eingefügt, so bildet die Erweiterung eine aus 6 Segmenten bestehende Fläche. Das geschieht z. B. bei der Konstruktion der Hals-Schulter-Partie.
Soll der Schlauch verengt werden, so wird ein Trötring erzeugt, indem drei statt zwei Ringe beim Einsetzen eines Rings erfaßt werden. Der Trötring ist dann der mittlere von den Dreien.

ein Ring mehr Gizehecke


Abb. 5 Trötring                            Abb. 6 Gizehecke

Als Abschluß für den Torso werden oft spitze Dreiecke verwendet. Diese heißen aufgrund ihrer Pyramidenform "Gizehecken". Legt man die seiten zweier Gizehecken aneinander, und verbindet diese, so entsteht eine Trötnaht.

Wie es nun weiter geht, erfahrt ihr im zweiten Teil, welchen wir am Freitag, den 12.02.2016 veröffentlichen werden.

Quelle, Abbildungen und detaillierte Infos zur Kettenhemdherstellung:
http://www.tempora-nostra.de/artikel/kettenhemd/ketted.shtml
http://www.tempora-nostra.de


Mit freundlicher Genemigung von Philipp Klostermann



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